Gezeitenkonzerte im Endspurt

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So langsam gehen die Gezeitenkonzerte 2014 ihrem Ende zu. Vor uns liegen, mal abgesehen vom Schlusskonzert am Sonntag, noch die drei Konzerte mit den Preisträgern des Internationalen Musikwettbewerbs der ARD, quasi einem Festival im Festival.

Hyeyoon Park, Foto: Giorgia Bertazzi
Hyeyoon Park, Foto: Giorgia Bertazzi

Den Startschuss dafür setzen am Donnerstag um 20:00 Uhr die bezaubernde junge und hochtalentierte Violinistin Hyeyoon Park und ihr kongenialer Partner Florian Uhlig am Klavier in Ditzum. Hyeyoon gewann bereits als 17-Jährige den 1. Preis beim Internationalen ARD-Musikwettbewerb. Heute ist sie 21 Jahre alt und gehört zu den „vielversprechendsten Geigerinnen ihrer Generation“ (Konzertdirektion Schmid). So ist es nicht verwunderlich, dass auch etablierte Musiker-Kollegen wie Gidon Kremer, András Schiff, Daniel Hope oder Lars Vogt gerne Konzerte mit ihr spielen und sie regelmäßig bei den großen europäischen Musikfestivals auftritt. Gemeinsam mit Florian Uhlig, der sich früh für ein Studium in England entschieden hat, wo er 1999 an der Royal Academy of Music seinen Master machte und promovierte, spielt sie in der schönen Kirche zu Ditzum Werke von J. S. Bach, Liszt, Schumann, Korngold und Franck.

Florian Uhlig, Foto: Marco Borggreve
Florian Uhlig, Foto: Marco Borggreve

Interessanterweise beginnt das Programm in Ditzum mit einem viertelstündigen Schlusssatz, dem 5. Satz der Partita für Violine solo Nr. 2 d-Moll BWV 1004, einer Chaconne, einem Werk, in dem sich die ganze Welt der Ausdrucksmöglichkeiten, Wehmut und Ernst, Leichtigkeit und Freude vereinen. Es folgt Franz Liszts Liebeslied S 566, das von Hyeyoon Park und Florian Uhlig bearbeitet wurde (eine Bearbeitung der Bearbeitung von Schumann also). Es folgt Schumann im Original und zwar mit der Violinsonate Nr. 1 in a-Moll op. 105, vom Komponisten in nur vier Tagen fertig gestellt. Nach der Pause folgt ein Werk des österreichisch-US-amerikanischen Komponisten mit jüdischen Wurzeln Erich Wolfgang Korngold, die „Vier Stücke für Violine und Klavier aus der Musik zu Shakespeares „Viel Lärm um nichts“ op. 11. Den Abschluss bildet César Francks Sonate für Violine und Klavier in A-Dur, dass der Komponist gleich nach Fertigstellung dem Geiger Eugène Ysaÿe zu dessen Hochzeit übersandte, wo es sogleich erstmalig aufgeführt wurde. Ysaÿe bedankte sich überschwänglich mit den Worten „Ich werde dieses Meisterwerk überall spielen, wo ich einen kunstsinnigen Pianisten finde.

Ramón Ortega Quero, Foto: Irène Zandel
Ramón Ortega Quero, Foto: Irène Zandel

Am Folgetag, Freitag, geht es dann in der Kirche zu Ochtersum um 20:00 Uhr mit dem Gezeitenkonzert mit ARD-Preisträger Ramón Ortega Quero (Horn) und Annika Treutler (bekannt von ihrem Auftritt als Pianistin mit dem Amaryllis Quartett 2012 in Pewsum) weiter. Für alle, die sich wundern, wo denn bitteschön Ochtersum liegt: Ochtersum befindet sich zwischen Westerholt und Esens. Dort gibt es – ein bisschen versteckt – eine zauberhafte Dorfkirche aus dem 14. Jahrhundert, die Sankt-Materniani-Kirche, die erstmalig Spielort eines Gezeitenkonzertes ist. Doch zurück zu den Künstlern. Relativ zu Beginn des Festivals bekam ich einen Anruf von Deutschlandradio Kultur. Man habe den Oboisten Ramón Ortega Quero am Wochenende zuvor in Berlin erlebt und sei begeistert von seinem Oboenspiel gewesen. Durch Zufall habe man gesehen, dass er im August gemeinsam mit Annika Treutler in Ostfriesland spielt und würde sehr gerne dieses Konzert mitschneiden. Flugs haben wir die Künstler und die Kirchengemeinde gefragt, ob von deren Seite etwas dagegen spricht: Nein, im Gegenteil!

Annika Treutler, Foto: privat
Annika Treutler, Foto: privat

Am Freitag also in Ochtersum gibt es Werke von sechs verschiedenen Komponisten: Saint-Saëns, Haydn und Poulenc vor der Pause, Schumann, Skrjabin und Borne im Anschluss. Gespannt bin ich auf die Sonate für Oboe und Klavier op. 166 von Camille Saint-Saëns, die mit dem Andantino eher im barocken Ton beginnt und damit Anfang der 1920-er Jahre fast schon auf aktuelle Strömungen wie den Neoklassizismus trifft, nur dass sich seine Musik jede Ironie untersagt, so Ulf Brenken im Text fürs Abendprogramm. Wer sich bei der Auflistung der Komponisten gefragt hat, wer denn nun eigentlich dieser Borne ist, ist – jedenfalls bei uns Banausen im Team – in guter Gesellschaft. François Borne gehört quasi zu den „One-Hit-Wonders“ des 19. Jahrhunderts. Die „Fantasie brillante sur des airs de Carmen“, ursprünglich für Flöte und Orchester geschrieben, findet sich sein 1880 geschriebenes Potpourri über Themen aus Bizets Oper mittlerweile in diversen Bearbeitungen wieder, sodass eine Darbietung für Oboe und Klavier zwar technisch mindestens sehr schwierig, aber dafür musikalisch doch sehr reizvoll erscheint.“ (nach Ulf Brenken)

Die Kombination Oboe und Klavier ist allein schon attraktiv, wenn dann noch so sympathische Künstler wie Ramón Ortega Quero und Annika Treutler sie bedienen, ist das Hör- und Sehvergnügen pur. Auch der zweifach ECHO Klassik Preisträger und 1. Preisträger beim Internationalen Musikwettbewerb der ARD gehört zu den spannendsten Musikern seiner Generation und in seinem Fach zu den weltweit gefragtesten Instrumentalisten. Das habe nicht ich mir ausgedacht, sondern aus mehreren Quellen zusammengetragen. Im Sommer waren Ramón und Annika zusammen auf einer Japan-Tournee. In der vergangenen Saison gab sie ihr Debüt in Paris sowie Orchesterkonzerte mit dem Kurpfälzischen Kammerorchester Mannheim.

Paolo Mendes, Foto: Neda Navaee
Paolo Mendes, Foto: Neda Navaee

Last not least spielt am Samstag um 20:00 Uhr Hornist und 2. Preisträger beim Internationalen Musikwettbewerb der ARD Paolo Mendes zusammen mit Sven Stucke (Violine) und Johann Blanchard (Klavier) ein Gezeitenkonzert in der Kirche zu Dunum. Ursprünglich war auch hier ein Duo-Abend angedacht, aber dann stolperte Matthias Kirschnereit einmal mehr über das wunderbare Brahms-Horntrio, das ihm nicht mehr aus dem Kopf ging, und so kam Sven Stucke dazu. Eben dieses Trio für Violine, Waldhorn und Klavier Es-Dur op. 40 zeugt von Brahms‘ Abneigung gegen die gerade neu aufgekommenen Ventil-Hörner, die er verächtlich Blechbratsche nannte, da er das alte, ihm bekannte und lieb gewordene Waldhorn vorzug. Vermutlich schrieb er das Werk kurz nach dem Tod seiner Mutter, der kurz vor dessen Entstehungszeitraum liegt. Mehr dazu lesen Sie vor Ort im Abendprogramm.

Johann Blanchard, Foto: privat
Johann Blanchard, Foto: privat

Paolo Mendes ist seit der Spielzeit 2010/2011 Solo-Hornist beim Deutschen Sinfonie-Orchester Berlin und gern gesehener Gast z. B. beim Rheingau Festival oder den Festspielen Mecklenburg Vorpommern. Violinist Sven Stucke kann auf eine lange Liste von Stipendien, Auszeichnungen und Wettbewerbspreisen zurückblicken. Der 27-Jährige ist Konzertmeister der Klassischen Philharmonie Bonn. Pianist Johann Blanchard 1. Preisträger sowohl beim Grotrian-Steinweg-Wettbewerb als auch beim Robert-Schumann-Wettbewerb. In diesem Jahr wurde er in das Programm der Young Steinway Artists aufgenommen.

Für diese drei Gezeitenkonzerte gibt es noch Karten. Link zur Kartenbestellung

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