„Mehr Verzweiflung brauchen wir nicht“

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Christian Tetzlaff und Leif Ove Andsnes begeisterten die Zuhörer in der Neuen Kirche Emden

Christian Tetzlaff und Leif-Ove Andsnes
Christian Tetzlaff und Leif Ove Andsnes beeindruckten beim Gezeitenkonzert in der Neue Kirche Emden, Foto: Karlheinz Krämer

„Dürfte ich ein Programm der diesjährigen Gezeitenkonzerte hervorheben, was nicht der Fall ist, es wäre das heutige.“ – So dezent verklausuliert habe ich im Abendprogramm meine begeisterte Vorfreude auf dieses Konzert formuliert. Und nun, im Blogbeitrag, kommt es ungeschminkt: Das war mein Lieblingskonzert der diesjährigen Gezeitenkonzerte! Und ich habe immerhin fünf von 32 miterlebt … Hamburg-Emden und zurück, das war es mir als Beifahrer wert!

Christian Tetzlaff (Violine) und Leif Ove Andsnes (Klavier) hatten sich für eine ungewöhnliche Programmform und -folge entschieden. Und die Spieldauer der einzelnen Stücke wurde zudem im Programmverlauf immer länger. Zunächst spielten sie gemeinsam die einzige Sonate für Violine und Klavier (1914-21) von Leoš Janáček: Vier traumhaft schöne und wunderbar dargebotene Sätze verzauberten schon zu Beginn die vollbesetzte Emder Neue Kirche. →Weiterlesen… “„Mehr Verzweiflung brauchen wir nicht“”

Fenster, Türen, Wintergärten

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Klaviertrio-Konzert bei Pollmann & Renken in Aurich-Schirum

Meenke Pollmann bei der Begrüßung zum vorletzten Gezeitenkonzert
Meenke Pollmann bei der Begrüßung zum vorletzten Gezeitenkonzert

Ein weiterer, besonderer Spielort der Gezeitenkonzerte tat sich vor mir auf, als ich im Team-Bully auf das Betriebsgelände im Gewerbegebiet etwas südlich von Aurich gefahren wurde. Pollmann & Renken – eine Firma, die sich mit dem Verkauf von Fenstern, Türen und Wintergärten beschäftigt und dafür ein eigenes Gebäude mit entsprechend viel Ausstellungsfläche belegt. Für unser Konzert, das vorletzte der diesjährigen Festspielsaison, wurden Ausstellungsflächen frei geräumt und die Fläche bestuhlt, zum zweiten Mal nach 2014. Zweihundert Besucher fanden Platz, auch auf der Galerie wurde eine Stuhlreihe eingerichtet. Die Einspielprobe der drei Musiker ließ bei „trockener“ Akustik (Nachhall: quasi nicht messbar) einen musikalisch aufregenden Abend erwarten. Schöne und kurze Begrüßungsreden von Firmeninhaber Meenke Pollmann und Landschaftspräsident Rico Mecklenburg, dann begann die Musik.

Fenster

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Lilit Grigoryan im intensiven Zusammenspiel mit Andrei Ioniţă, Foto: Karlheinz Krämer

Sergej Rachmaninoff schrieb sein erstes, einsätziges Klaviertrio (in g-Moll, „Trio élégiaque“) 1892, also ein Jahr vor dem Tod von Peter Tschaikowsky. Wie sehr er den Mentor schätzte, ließ er der Nachwelt im Folgejahr wissen, als er dann zu seinen Ehren sein großes, zweites Klaviertrio komponierte. Das erste enthält tatsächlich noch mehr Reminiszenzen an Tschaikowskys Musik, als ich beim bisherigen Hören wahrgenommen hatte. Motive aus der fünften Sinfonie schimmern durch, andere Floskeln sind einfach nur typisch – als ob sich ein Fenster zu Tschaikowskys Musikwelt geöffnet hätte. Dass es sich um ein (opuszahlfreies) Frühwerk handelt, merkt man an der unausgeglichenen Aufteilung der drei Instrumente, denn es kam immer wieder zu Episoden, die wahlweise einer Violin- oder einer Cellosonate gut zu Gesicht gestanden hätten. Ein wirkliches Klaviertrio ist das „Trio élégiaque“ noch nicht – vielleicht blieb es auch deshalb ein einsätziger Versuch. →Weiterlesen… “Fenster, Türen, Wintergärten”

Kalinka, Kalinka!

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Alexandra Conunova (Violine), Andrei Ioniță (Violoncello) und Lilit Grigoryan (Klavier) in Aurich-Schirum

Alexandra Conunova, Lilit Grigoryan und Andrei Ioniță
Alexandra Conunova, Lilit Grigoryan und Andrei Ioniță

Vor dem großen Showdown am 14.08. (heute!!) begeben sich die Gezeitenkonzerte noch einmal back to the roots: Kammermusik an ungewöhnlichen Spielorten. Gestern waren wir in der Ausstellung der Firma Pollmann & Renken zu Gast. Der Raum war für ein Klaviertrio ideal: groß und sehr tragfähig, selbst oben kam noch alles super an. Wenn man sich stinkende Scheinwerfer (allerdings von uns) vor der eigenen Nase wegdenkt, ist es richtig heimelig-angenehm und man hat an den vielen Türen einiges zu gucken. →Weiterlesen… “Kalinka, Kalinka!”

Sturmflut in Dangast

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Die Gipfelstürmer Philipp Wollheim (Violine), Raphael Paratore (Violoncello) und Verena Metzger (Klavier) fluten das Kurhaus Dangast mit Musik

Philipp Wollheim, Verena Metzger und Raphael Paratore beim Gezeitenkonzert in Dangast, Foto: Karlheinz Krämer
Philipp Wollheim, Verena Metzger und Raphael Paratore beim Gezeitenkonzert in Dangast, Foto: Karlheinz Krämer

Und schon wieder ein runder Geburtstag, wie schnell man doch alt wird: Konzert 30 im alten Kurhaus in Dangast. Ein außergewöhnlich schöner Spielort, denn das Kurhaus ist direkt am Meer gelegen. Auch das konstant schlechte Wetter hatte gestern seinen ganz eigenen Charme und lud trotzdem zu Strandspaziergängen ein. Ab 20:00 Uhr machte ich es mir auf einem der Hörplätze gemütlich, in einem kleinen Seitenschiff (Wir waren zu lange in Kirchen!) des Konzertraums, der ebenfalls sehr gemütlich war. Mit Stammtisch-Feeling begann das Konzert mit meinem Highlight der ersten Hälfte, Schostakowitschs erstem Klaviertrio, was er im zarten Alter von 17 Jahren für eine junge Angebetete schrieb, die seine Gefühle später sogar erwiderte. Komponist müsste man sein… Auch wenn dieses Stück laut Programmheft noch recht „romantisiert“ ist, musste ich sofort an Schostakowitsch denken. Solche Phrasen, gerade in der Violine, muss man sonst lange suchen. Gerade die schnellen Aufwärtsläufe weckten die Aufmerksamkeit und brachten mich so richtig in Konzertstimmung. Von meinem Hörplatz aus konnte ich immer mal einen Streicherkopf wippen und wackeln sehen. →Weiterlesen… “Sturmflut in Dangast”

„Weltklasse in Pewsum“

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Jan Vogler und Lise de la Salle faszinieren mit äußerst temperamentvollem Spiel

Lise de la Salle beim Gezeitenkonzert in Pewsum, Foto: Karlheinz Krämer
Lise de la Salle beim Gezeitenkonzert in Pewsum, Foto: Karlheinz Krämer

Pewsum lockte nach vielen Gezeitenkonzerten 2016 endlich mal mit dem besten Sommerwetter seit Festivalbeginn. Dementsprechend entspannt waren auch die Gesichter von Pianistin Lise de la Salle und Cellist Jan Vogler, als sie nach der Probe aus der Nicolai-Kirche kamen. Dort war bereits wildes Gewusel, da auf engstem Raum sich sowohl das Team von Haase Catering als auch das der Gezeitenkonzerte aufbauen mussten. Alles wurde pünktlich fertig, die Gäste schlugen auch schon zeitig auf und genossen in der Sonne ihr Glas Wein und hielten ein Schwätzchen, dessen Inhalt häufig die letzten Konzerte waren. „Haben wir uns nicht gestern schon in Emden bei Lars Vogt und Anna Reszniak gesehen? Und bei Frau Leonskaja waren Sie doch auch!“ Für manche wird das Festival zunehmend zum Happening, bei dem Freundschaften geknüpft werden, sodass man sich auch im Winter auf einen Kaffee trifft.
Doch eint alle eins: die Musik! So hatten auch heute pünktlich zu Konzertbeginn alle ihre Plätze aufgesucht, manche dabei rechts und links verwechselt, waren aber guter Dinge, hörten den kurzweiligen Begrüßungen von Pastor Andreas Jäckel und Landschaftspräsident Mecklenburg zu.

Lise de la Salle und Jan Vogler warteten derweil im Abstellraum der Kirche, klebten noch rasch Noten, bzw. stimmten ihr Instrument. Dann erstürmten sie die Bühne und erweckten gleich mit den ersten Takten die Neugier des Publikums. →Weiterlesen… “„Weltklasse in Pewsum“”

Ostfriesische Trilogie – Schlusskonzert

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Dritter Tag: Ausatmen in Bunderhee

Reges Treiben vor der Reithalle des Polderhofes in Bunderhee vor dem Schlusskonzert der Gezeitenkonzerte, Foto: Karlheinz Krämer
Reges Treiben vor der Reithalle des Polderhofes in Bunderhee vor dem Schlusskonzert der Gezeitenkonzerte, Foto: Karlheinz Krämer

Auf dem Polderhof in Bunderhee herrscht reges Treiben. Einige Dutzend Menschen sind in Gange, dabei sind es noch mehr als zwei Stunden bis zum Beginn des Abschlusskonzertes der diesjährigen Gezeitenkonzerte der Ostfriesischen Landschaft. Vorbereitungen für eine wirkliche Großveranstaltung – die größte, die es seit mehr als 120 Konzerten in vier Festivaljahren bisher gegeben hat. Über 1.000 Besucher werden nachher die umgestaltete Reithalle füllen, mehr als 120 Musikerinnen und Musiker werden dort spielen. Es herrscht bereits jetzt eine Arbeitsatmosphäre wie im Bienenstock.

Im umgebauten Reitstall wurden Holzböden ausgelegt, darauf in über 30 Reihen jeweils 32 Stühle aufgestellt, so dass ein Konzertsaal entstand, wo vorher Pferde ihre Runden drehten. Auf der Bühne hat ein fast beliebig großes Orchester Platz, heute ist es das Junge Philharmonische Orchester Niedersachsen (JPON), das vor drei Tagen in Westerstede, vorgestern in Otterndorf und gestern in Hannover aufgetreten ist. →Weiterlesen… “Ostfriesische Trilogie – Schlusskonzert”

vision string quartet: “Bitte kommt bald wieder!”

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Das vision string quartet beim Gezeitenkonzert in Dangast, Foto: Karlheinz Krämer
Das vision string quartet beim Gezeitenkonzert in Dangast, Foto: Karlheinz Krämer

180 Plätze und mehr: Auch gestern war das Konzert wieder restlos ausverkauft. Selbst der offene Nebenraum im Alten Kurhaus Dangast wurde geöffnet, um weiteres Publikum unterzubringen. Und das hat sich gelohnt: Das „vision string quartet“ rockte auch dieses Jahr wieder die Bühne. Nur nicht bei der „Langen Nacht der Gipfelstürmer“ wie letztes Jahr, sondern im Kurort Dangast am Jadebusen, dem alljährlichen Shooting-Ort fürs nächste Titelblatt der Gezeitenkonzerte. Dieses Mal durften sich die vier Männer in Position stellen. Die Fotos dafür waren schnell im Kasten, trotz erschwerter Umstände durch das unglaublich stürmische Wetter, durch das sich die Musiker kämpfen mussten. Andererseits machte das natürlich auch die Fotos wesentlich interessanter. Man darf also schon auf das Titelfoto im nächsten Jahr gespannt sein! →Weiterlesen… “vision string quartet: “Bitte kommt bald wieder!””

Das singende Cello in Wittmund

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Daniel Müller-Schott und Matthias Kirschnereit in der Nicolaikirche Wittmund

Warten auf den Einlass zum Gezeitenkonzert vor der Kirche Wittmund, Foto: Karlheinz Krämer
Warten auf den Einlass zum Gezeitenkonzert vor der Kirche Wittmund, Foto: Karlheinz Krämer

Man kommt sich zwar ein wenig blöd vor, wenn man von seinen eigenen Konzerten nur schwärmen kann, aber was soll ich sagen? Auch der Duo-Abend von Daniel Müller-Schott und Matthias Kirschnereit war nun einmal ein grandioses Erlebnis. Entgegen anders lautenden Gerüchten, kennen die beiden einander noch gar nicht so lange. Erst im vergangenen Jahr haben sie sich bei einem gemeinsamen Konzert kennengelernt.

In der Kirche zu Wittmund stand bei diesem Gezeitenkonzert zuerst Robert Schumanns Adagio und Allegro für Violoncello und Klavier in As-Dur op. 70 auf dem Programm. Ein kurzes Stück, nur neun Minuten lang, aber das hatte es schon gleich in sich. Nach den ersten Takten war man sofort in der Musik abgetaucht. Langsam, mit innigem Ausdruck begann das Cello zu singen, das Klavier später einsetzend blieb dezent im Hintergrund. →Weiterlesen… “Das singende Cello in Wittmund”

Wir bedanken uns bei unseren Festivalförderern